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Papst trifft Patriarchen

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Ökumene: Die erste Begegnung von Oberhäuptern der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche

Fast 1 000 Jahre nach der Spaltung des Christentums gab es auf Kuba einen historischen Kirchengipfel.

Zeugnis geben von der Hoffnung, die uns erfüllt, das wollten die beiden Hierarchen auf Kuba. Zugegeben, die Erklärung in 30 Abschnitten ist in ihrer binnenkirchlichen Sprache nicht leicht zu lesen. Und manche haben sich auch gar nicht die Mühe gemacht. In einigen Kommentaren wird die Begegnung einfach als spektakuläres Ereignis benannt oder eingeordnet in die aktuelle weltpolitische Diskussionslage. Manche warnen gar Papst Franziskus, sich auf Patriarch Kyrill einzulassen, denn der sei ja Erfüllungsgehilfe Putins.

Treffpunkt Flughafen Havanna: »Wir sind Brüder, endlich«, sagte Papst Franziskus, nachdem er den Patriarchen Kyrill umarmt hat. Foto: picture alliance/Tass

Treffpunkt Flughafen Havanna: »Wir sind Brüder, endlich«, sagte Papst Franziskus, nachdem er den Patriarchen Kyrill umarmt hat. Foto: picture alliance/Tass

Dabei lohnt es sich, bei diesem Treffen der beiden Kirchenführer genauer hinzusehen und besonders genauer zu lesen. Denn es ging in dem Treffen eben nicht um die Durchsetzung eigener Positionen, sondern um »die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Kirchen, die wesentlichen Probleme der Gläubigen und die Aussichten zur Entwicklung der menschlichen Zivilisation«. Die Verfasser der Erklärung setzen sich für die verfolgten und vertriebenen Christen im Nahen Osten und in Nordafrika ein und unterstreichen gleichzeitig den notwendigen interreligiösen Dialog.

Die beiden Bischöfe rufen dazu auf, gegen Gewalt und Terrorismus für Frieden in den Ländern und zwischen den Völkern einzustehen. Sie benennen die tödliche Schere zwischen Arm und Reich und wenden sich gegen zügellosen Konsum. Jede Vereinnahmung des Glaubens für Krieg und Gewalt wird verurteilt. »Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister«, sagen sie und meinen auch ein neues, gutes Miteinander von griechisch-katholischer und orthodoxer Kirche in der Ukraine. Die Kirchen wollen gegen Gewalt und für die Überwindung der Spaltungen in Kirche und Gesellschaft der Ukraine ihre Stimme erheben. Grund für dieses gemeinsame Engagement ist nicht nur die politische Lage, sondern die Einheit in Christus und die Verantwortung in der Nachfolge.

Dass man dieses wichtige Treffen nicht unter zu engem Horizont sehen darf, zeigt schon das beeindruckende Engagement von Papst Franziskus für eine Weiterentwicklung der Ökumene. Viele unkonventionelle Treffen mit verschiedenen christlichen Kirchen stehen dafür. Ein gemeinsamer Gottesdienst mit dem Lutherischen Weltbund am Reformationstag dieses Jahres ist geplant. Und Patriarch Kyrill ist »geistlicher Sohn« von Metropolit Nikodim, jenem großen Ökumeniker der Russisch-Orthodoxen Kirche, der 1978 in den Armen von Papst Johannes Paul I. starb. Kyrill war damals Mitglied der russischen Delegation in Rom.

Auch schickte die Russisch-Orthodoxe Kirche als einzige orthodoxe Kirche Beobachter zum Zweiten Vaticanum. Man darf nicht übersehen, dass das Treffen zwei Kirchen vereint, die ihre Verantwortung für die Welt wahrnehmen wollen. Das zeigte ihr Engagement im konziliaren Prozess und das war auch beim Treffen zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in München sichtbar. Und noch eins: Immer wieder wird in Verlautbarungen zum Treffen auf Kuba das symbolische Datum der Kirchenspaltung 1054 erwähnt. Symbolisch nenne ich es darum, weil es nicht die erste Spaltung der Christenheit war und es danach vielfältige Unionsbemühungen und Kontakte zwischen der Ost- und Westkirche gab.

Dazu kommt, dass 1054 die Russisch-Orthodoxe Kirche als selbstständige Kirche noch gar nicht existierte. Die zweifelsfrei wichtige Begegnung auf dem Flughafen in Havanna war die Begegnung des Papstes mit der größten, aber nicht einzigen orthodoxen Kirche. Wir werden sehen, welche Früchte dieses Treffen in der Ökumene und in der Welt spielen wird und wie es wohl bei dem Konzil aller orthodoxen Kirchen im Juni dieses Jahres aufgenommen wird.

Siegfried T. Kasparick

Der Autor ist Beauftragter für Reformation und Ökumene in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM).


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